HIV in Weißrussland

Drogenabhängige Weissrussland

Am 1. Dezember ist Welt-Aids-Tag. Politiker sind sich einig, dass das Thema nicht an Relevanz verloren hat. Das erleben wir auch in Weißrussland, wo wir im Reha-Zentrum mit vielen Drogenabhängigen arbeiten, die mit HIV infiziert sind.

Als Jahr des Ausbruchs der HIV Epidemie in Weißrussland gilt das Jahr 1996. Während in den Jahren 1987 bis 1995 insgesamt 130 Fälle von HIV registriert worden waren, schnellte diese Zahl allein in der zweiten Jahreshälfte von 1996 auf 811 Fälle hoch. In den Jahren 2010 bis 2016 stiegen die HIV-Neuinfektionen national um 65 Prozent, so dass eine Gesamtzahl von 19.000 Fällen registriert wurde. Experten gehen von einer Dunkelziffer aus, die etwa das Doppelte betrug. Todesfälle durch HIV nahmen um 13 Prozent zu.

Der enge Zusammenhang zwischen Drogen und der Verbreitung von HIV ist bekannt. In Weißrussland gab es seit dem Zusammenbruch des Kommunismus, der Öffnung des Landes und der darauf weit verbreiteten Politik des Wegschauens einen unkontrollierten Anstieg der Drogenabhängigkeit.
Im Jahr 2012 lag der Prozentsatz von HIV-Infizierten unter der Gesamtbevölkerung bei 0,4 Prozent, wogegen sich der Anteil unter Drogenabhängigen, die Drogen spritzen, auf mehr als 13 Prozent belief. Im Jahr 2016 war dieser Anteil weiter auf 25 Prozent gestiegen. Der Schwerpunkt der HIV-Epidemie hatte sich bereits früh aus der Hauptstadt Minsk in die Kleinstadt Svetlagorsk verlagert, die als „Drogenhauptstadt“ Weißrusslands galt. Zu Beginn wurden 80 von 130 registrierten Fällen in Minsk gemeldet. Nur ein paar Jahre später (1996) wurden schon 90 Prozent der Fälle in Svetlagorsk und Umgebung gemeldet, wo auch unser Reha-Zentrum liegt.
Ehe das Team der TOS Dienste International e.V. 1996 mit seiner Arbeit in Svetlagorsk begann, wuchs der Friedhof dort täglich, so dass sich die dortige Stadtverwaltung keinen anderen Rat wusste, als uns ins Land zu rufen. Es war zwar ungewöhnlich, dass Christen in ein kommunistisches Land eingeladen wurden, aber sie hatten erkannt, dass wir bereit waren, uns in die sogenannten hoffnungslosen Fälle der Drogenabhängigen und HIV Infizierten zu investieren.
Als unser Team die Arbeit aufnahm, hatten die Einwohner anderer Städte noch Angst, Menschen aus Svetlagorsk die Hand zu schütteln oder Wohnungen an sie zu vermieten. Spricht man heute mit Experten
der HIV-Bekämpfung in Svetlagorsk, sind positive Tendenzen zu vermelden: Das soziale Stigma hat nachgelassen. Die Aufklärungskapagnen haben gegriffen, HIV ist nicht länger ein Phantom. Auch die Haltung der Ärzte hat sich verbessert; während früher die Meinung vorherrschte, Drogenabhängige seien prinzipiell selbst schuld an ihrer Lage und den Folgeerkrankungen, finden die Süchtigen heute bessere Behandlungsmöglichkeiten. Fast alle erhalten antiretrovirale Therapie, aber dennoch sind nach wie vor mehr als ein Viertel der Spritzen-Nutzer HIV positiv. Dadurch leiden sie an Krankheiten wie Hepatitis, Tuberkulose, Blutvergiftung oder massivem Pilzbefall. Über kurz oder lang erwartet sie der Tod. Hoffnung
auf ein neues Leben, Freiheit von Drogen oder gar Heilung von den verschiedensten Krankheiten, die
mit Drogensucht einhergehen, können die Ärzte nicht wirklich geben.
Im Reha-Zentrum der TOS Dienste International e.V. in Svetlagorsk macht sich deshalb aber keine deprimierte Stimmung breit. Die ehemaligen Abhängigen wissen um ihre Situation und die  Aussichten, die sie damit normalerweise hätten. Aber ihr neues Leben frei von Drogen hat ihnen neue
Perspektiven für ihre Zukunft eröffnet: Glaube, Gemeinschaft mit Gleichgesinnten, ein neues Ziel im Leben, sowie verbesserte medizinische Versorgung ermöglichen eine positive Grundstimmung. Viele, die nach ärztlichen Prognosen längst hätten tot sein müssen, haben Krankheiten überwunden, die sonst ihr sicheres Todesurteil gewesen wären. Sie gründen Familien und haben gesunde Kinder, was zeigt, dass auch der Ansteckungskreislauf für Ungeborene im Mutterleib durchbrochen wurde.
Während die Lage weiter ernst ist und Menschen sterben, gibt es Hoffnung, und das motivierte Team
im Reha-Zentrum geht weiter an die Orte, wo Drogenabhängige zu finden sind, um dort die gute Nachricht der Hoffnung zu verbreiten.