Ecuador aus erster Hand

Ecuador

Ich war schon einmal in Lateinamerika gewesen, aber diesmal war alles anders. Dadurch, dass ich nun zusammen mit meinem Mann und den Kindern meine Schwester, Leiterin des Projekts in Manabí, Ecuador, besuchen konnte, hatte ich abseits aller Touristenattraktionen die Gelegenheit, tiefe, persönliche Einblicke in das Leben und Empfinden des Landes zu gewinnen.

Die Arbeit, die Anja und Benjamin Kunz in der von Armut geprägten Region leisten, hat mich tief berührt. Sie bauen ein Community-Center auf, das dem ganzen Viertel als Ort der Gemeinschaft, Erholung, Fortbildung, aber auch Anlaufstelle in ihrer Not dient. Der Stadtvorsteher war so beeindruckt, dass er für die Arbeiten am Community-Center mehrere Tage kostenlos einen städtischen Bagger und einen Lastwagen mit Fahrern zur Verfügung stellte.

Gleichzeitig erschütterten mich die Zustände, in denen die Menschen und besonders Kinder dort leben müssen. Ich hörte  von Familien, die ihre Kinder abgegeben haben, weil sie sich nicht mit ihnen belasten wollten. Sie ließen ihre Kinder einfach bei Angehörigen, Nachbarn oder Fremden. Für Männer ist es in Calderón  normal, Prostituierte zu frequentieren. Das ist gesellschaftlich keinerlei Stigma unterworfen. Es kommt sogar vor, dass Männer ein Bordell besuchen und gleichzeitig ihre Frauen zum Anschaffen dorthin schicken.

Einmal begegnete ich einem etwas abgerissenen Paar auf der Straße. Auf meine Nachfrage sagte man mir, sie seien Wirtschaftsflüchtlinge aus Venezuela. Es ist unfassbar, dass es in diesem armen Teil Ecuadors noch ärmere Menschen gibt, die sich dort ein besseres Leben als Tagelöhner oder durch den Verkauf von Süßigkeiten auf der Straße erhoffen.

Ich erfuhr außerdem, dass es vor Ort nicht üblich ist, gemeinsam zu essen. Deshalb gehört zu den besonderen Angeboten des Projekts ein regelmäßiges Essen in Gemeinschaft für Menschen aus der Umgebung. Es war für sie zunächst sehr ungewohnt, sich gemeinsam zum Essen an den Tisch zu setzen. Inzwischen hat es aber so ihre Herzen gewonnen, dass sie diese Zeiten nicht mehr missen möchten und selbst Familienangehörige dazu kommen, die von anderen Programmen nicht erreicht werden.

Es ist eine starke, hingebungsvolle Arbeit, und man kann bereits die Veränderung in den Gesichtern der Menschen sehen, auch wenn noch viel nötig ist für die Transformation dieser Region